Leseprobe: Nur ein Spiel

Ich drehe mich von der Bar weg und sehe mich um. Die Tanzfläche des Anwesens ist gut besucht, die Andreaskreuze sind ebenfalls alle besetzt.
Ich stehe vorsichtig auf, um mich nicht auf die Fresse zu packen – die Welt um mich herum dreht sich leider –, und gehe näher zur offenen Ecke, in der Sklaven nach allen Regeln der Kunst von ihren Herren mit dem Flogger bearbeitet und ausgepeitscht werden. Mein Blick bleibt an Diego hängen. Er ist mir vorhin schon beim Reinkommen aufgefallen. Wie auch nicht, er ist groß, muskulös, einfach heiß und – ein Sub. Und heute ist so ein Tag, an dem ich verfluchen möchte, dass ich in allem nur mittelmäßig bin und mich nicht mal ein Sub ernst nimmt, der noch kleiner und dünner ist als ich.
Irgendetwas steigt in mir hoch und ich bin mir nicht sicher, ob es nur Wut oder auch Magensäfte sind, also behalte ich lieber alles drin. Stattdessen gehe ich näher zu Diego heran.
Sein Rücken ist rot, einige Striemen verfärben sich bereits blau. Doch er steht aufrecht an der Wand, ungefesselt, und nimmt jeden Schlag mit einer Selbstbeherrschung hin, die mir einen heiden Respekt einjagt. Der Mann ist eine Kategorie für sich. Aber als Kampfsportler hat er wahrscheinlich genügend Selbstkontrolle erlernt.
Weitere Schläge prasseln auf ihn ein. Die Muskeln arbeiten leicht, wann immer die Peitsche auf seinem Rücken niedergeht, aber er zuckt nicht, steht ganz still da.
Nur einmal diesen Kerl unter sich haben …
»Wusste nicht, dass du dich jetzt für solche Typen interessierst. Ich mag die Jungs eher schlanker und jünger.« Henni steht nun neben mir und leckt sich die Lippen. »Er ist nicht schlecht, aber es gibt doch bessere. Schau mal den Süßen da hinten an, der ist nachher frei und steht zufällig auf dich. Siehst du, er schaut schon wieder rüber. Lass dich von ihm verwöhnen und vergiss Julian. Der war doch von Anfang an ’nen Spinner.«
Ich mag Henni sonst sehr, aber heute nervt er nur. Und auf das Bürschchen habe ich erst recht keine Lust. »Ist der überhaupt achtzehn? Sieht aus, als könnte er noch bei seiner Mutter an der Brust hängen.«
Henni schnalzt missbilligend mit der Zunge. »Als ob ich hier jemanden reinlassen würde, der minderjährig ist.«
»Ich will noch was trinken.«
»Hör mal, Denis, ich kann mir vorstellen, wie schwer das gerade ist, aber lass dich jetzt nicht hängen. Was hast du davon, morgen völlig verkatert und vollgekotzt aufzuwachen?«
»Gar nichts. Aber ich habe auch nichts davon, es nicht zu tun. Also?« Henni sieht mich böse an. »Was? Ich bin zu Fuß und laufe nachher, bin keine Gefahr für andere.«
Er nuschelt etwas in seinen Bart, was sich verdächtig nach »aber für dich selbst« anhört, geht dann aber an die Bar zurück.
Immerhin einer, der noch tut, was ich verlange. Die Tatsache, dass er es widerstrebend und mit Widerworten tut und als Besitzer des Clubs Dienstleister ist, ignoriere ich vehement.
Mein Blick ruht erneut auf Diego. Perfekt wäre das Bild, wenn sein Schwanz steif wäre, doch das ist er selten. Zumindest bei den öffentlichen Spielen, an einem privaten mit ihm habe ich noch nie teilgenommen. Es ist ein kleiner Makel, der mich wieder zurück in die Wirklichkeit und an die Bar bringt.
Ich brauche nicht weiter über Diego nachdenken. Er ist nicht mein Typ und wir sind nicht in derselben Liga. Nicht einmal im selben Universum. Aber dafür gibt es ja den Alkohol. Und den brauche ich jetzt reichlich.

Noa Liàn