Der Abend hatte Spuren hinterlassen. Ich fühlte mich ausgelaugt, doch ein wenig fühlte sich das auch gut an, wie eine angemessene Bestrafung. Ich wusste, ich konnte nicht mehr lange so weitermachen. Mein Verlag wollte endlich das Skript haben und meine Schreibblockade, die mich seit Monaten fest im Griff hatte, wurde nicht dadurch besser, dass ich jeden Tag stundenlang auf einer Bank saß.
Bestrafung. Ja, das war es. Bisher war ich um sie herumgekommen, wahrscheinlich setzte sich mein Körper deshalb jeden Tag aufs Neue ganz automatisch in Bewegung. Allerdings machte das weder etwas ungeschehen, noch sorgte es dafür, dass Ben zu seinem Recht kam. Ich wusste, worauf ich hier eigentlich hinarbeitete. Wusste es, seit ich ihn wiedergesehen hatte. Doch die bloße Vorstellung, ihn um Verzeihung zu bitten, ließ mich frösteln.
›Charles! Bitte! Du musst das beenden! Wir wissen beide, wie es ist. Ich will nichts weiter als das, behalte von mir aus, was du verdient hast. Sag nur einfach die Wahrheit! Heute früh hat mir einer deiner Fans aufgelauert, ich musste verdammt noch mal die Polizei rufen! Bitte, Charles!‹
Am frühen Morgen hatte ich mich an seine letzte E-Mail erinnert. Einige Jahre war das her, doch seine Verzweiflung noch genauso greifbar. Ebenso wie meine eigene Feigheit.
[…]
Wochenlang hatte es nur ein Thema gegeben. Und während ich mich versteckt hatte, feige und vor Nervosität kotzend, da ich jeden Moment damit gerechnet hatte, doch aufzufliegen, war Ben durch die virtuelle Hölle gegangen. Ich hatte später einiges nachgelesen, obwohl viel verlorengegangen war, da er seine Profile alle gelöscht hatte. Was noch zu finden gewesen war, waren unzählige Kommentare, wenige davon enthielten einfache Enttäuschungsbekundungen, die meisten waren regelrecht bösartig.
Und Ben hatte nicht gelogen. Nachdem jemand seine Adresse herausgefunden und im Internet veröffentlicht hatte, war er nicht einmal mehr zuhause sicher gewesen. Bis er seine ganze virtuelle Existenz gelöscht hatte und unbekannt verzogen war.